An dem Namenstag von Tetiana hat unsere Reiseleiterin mit diesem Namen 12 Reisende in ihrem Wohnzimmer empfangen. Sie denkt gerne an ihre Namenstage in der Ukraine zurück. Es gab einen Gottesdienst für alle Tetianas, im Restaurant wurde man geehrt und man traf viele Menschen mit dem gleichen Namen. Die Zeiten sind wegen des Krieges nun vorbei und Tanja gibt alles, um sich ein Leben in Deutschland aufzubauen, das auch lebenswert ist.
Bei unserer Reise ging es um Tanjas altes und neues Leben.
Das „Namentagskind“ hat uns von der Herkunft und dem Leben ihrer Familie erzählt. Von ihren Großeltern, Eltern, Töchtern, ihrer Schwester und ihren Neffen. Manchmal wurde es sehr still im Wohnzimmer, denn es gab viele große Herausforderungen in Tanjas Leben.
Als es dann um Charkiw ging, hat Tanja den Raum mit Begeisterung, Schaffenskraft und Stolz gefüllt. Charkiw ist die Stadt, in der Tanja aufgewachsen ist, studiert hat, nach dem Studium gleichzeitig, um über die Runden zu kommen, vier Arbeitsstellen hatte und letztendlich dann 26 Jahre im Rathaus im Bereich „kommunales Immobilienmanagement“ gearbeitet hat. Aber Tanja ist nicht nur auf die Bauten und Parks stolz sondern auch auf die besonders toleranten Menschen Charkiws – nicht ohne Grund wurde Charkiw 2010 für besonders hohe Lebensqualität ausgezeichnet.
Tanja hat uns ihr erstes Buch gezeigt, das sie mit sechs Jahren von Freunden ihrer Eltern, die zu Besuch kamen, bekommen hat. Es hat 200 Seiten sowie drei Bilder und Tanja hat es seinerzeit während des Besuchs komplett durchgelesen. An solchen kleinen Geschichten aus Tanjas Leben konnten wir schon gut Tanjas Entschlossenheit und Tatkraft ablesen, die sie sich bewundernswerterweise bewahrt hat.
Tanja hat uns auch ein Bild mit einem historischen Stadtplan von Charkiw gezeigt, das sie bis zu ihrer Flucht in ihrem Büro im Rathaus hängen hatte. Ein 5 cm großer Riss in der Leinwand des Bildes erinnert nun in ihrem Wohnzimmer an die Schrecken des Krieges. Die Beschädigung des Bildes stammt von einer Bombe, die 100 m entfernt vom Rathaus eingeschlagen ist.
Tanja lebt – und die Dankbarkeit darüber gibt ihr Energie, sich ein gutes Leben in Deutschland aufzubauen, obwohl sie natürlich auch täglich in Gedanken bei ihren Freund*innen und Kolleg*innen in der Ukraine ist. Eine Herausforderung.
Charkiw hat 69 Universitäten und Hochschulen und hatte ca. 1.500.000 Einwohner*innen. Aus ihr kommen 21 Kosmonauten sowie drei Nobelpreisträger im Bereich Physik, Chemie und Wirtschaftswissenschaften.
Tanja hat auch von dem außergewöhnlichen Bürgermeister Gennadi Kernes, dem sie direkt unterstellt war und der 2020 gestorben ist, berichtet. Die Arbeit für einen Mann, der so leidenschaftlich für seine Stadt und deren Bürger Projekte entwickelte, hat Tanja stark gefordert und gleichzeitig sehr glücklich gemacht. Wenn sie durch die immer schöner und komfortabler werdende Stadt ging oder fuhr, hat sie die Infrastruktur genutzt, die vorher erst nur Ideen waren, die sie mit umgesetzt hat.
Tanja hat viele weitere Details erzählt.
Wir haben gelacht und geweint.
Tanja, vielen Dank für deine Offenheit und deinen Mut, uns alles zu erzählen.
Danke für deine leckeren ukrainischen Kekse, Pralinen und Warenykys.
Pass auf dich auf!