9/2019

Reza ist bildender Künstler und somit öffnet er uns sein lichtdurchflutetes Künstleratelier.

Wir können einen Teil seiner und einige Werke seiner Kunstschüler bestaunen.

Reza strahlt eine große Ruhe und Weisheit aus. Er erzählt von seinen ersten Eindrücken in Deutschland bei seiner Ankunft vor 35 Jahren, von seiner Arbeit und seinem Studium im Iran und dem Neuanfang in Deutschland.

Reza berichtet von der herzlichen Gastfreundschaft in seinem Geburtsland, von der Suppe, die aus 17 Kräutern besteht, vom Neujahrstisch, auf dem 6  Dinge, die mit „S“ anfangen stehen, von dem Duft von Eukalyptus und Nelken, von 37 Kulturen, die es im Iran gibt, von seinen Geschwistern, von seinem Dorf und seiner Stadt und noch von Vielem mehr.

Zwei Stunden waren viel zu schnell um.  Wir hätten noch stundenlang weiter zuhören können.

Danke, Reza, für deine Offenheit.

Syrische Herzlichkeit
Syrien duftet nach starkem Kaffee und schmeckt nach Kardamom – so zumindest ist der erste Eindruck der kleinen Reisegruppe, die sich in der kleinen Wohnung unseres Gastgebers Esmail versammelt. Denn kaum haben alle am Boden auf den Kissen und Decken Platz genommen, geht Esmail mit einer wunderschön verzierten Kaffeekanne herum und schenkt starken, bitteren, mit Kardamom gewürzten Kaffee ein. Die Kaffeetassen rotieren, denn es ist üblich, sich die Tasse mit anderen Gästen zu teilen. Wer gerne nachgeschenkt bekommen möchte, hält die Tasse still, wer genug hat, wackelt ein bisschen mit ihr herum. Selbst das Kaffeetrinken ist somit ein Prozess in Gemeinschaft – wie sehr die Gemeinschaft in Syrien im Mittelpunkt steht, sollte die Reisegruppe an diesem Abend noch in vielen Details erfahren.
Esmail stammt aus einer Kleinstadt in der Nähe von Damaskus, ganz nah an der libanesischen Grenze. Bereits 2011 kam er für seine Promotion nach Deutschland. Durch den Krieg in Syrien ist eine Rückkehr im Moment ausgeschlossen. Ginge er jetzt nach Syrien, würde man ihn sofort ins Militär einziehen. Die Bilder, die er uns an diesem Abend auf seinem Computer von Syrien zeigt, sind alle vor dem Krieg aufgenommen. Aktuellere Fotos möchte er nicht zeigen und vielleicht selbst auch gar nicht sehen. Stattdessen nimmt Esmail die Reisenden mit in eine uralte Kulturregion, die seit Jahrtausenden am Schnittpunt zwischen Europa, Asien und Afrika von den unterschiedlichsten Kulturen geprägt ist. Ein typisch syrisches Viertel lässt sich deshalb nicht mit einem Wort beschreiben. Sunniten, Alawiten, Juden, Christen, Kurden – sie alle leben Tür an Tür, ihre Gotteshäuser stehen in direkter Nachbarschaft, gemeinsam feiern sie das muslimische Zuckerfest ebenso wie Weihnachten. „Der Krieg in Syrien ist kein Bürgerkrieg“, sagt Esmail. Die Bürger bekämpfen sich nicht. Es ist ein Weltkrieg, den die unterschiedlichsten Mächte auf einem kleinen Gebiet austragen.
Doch der Krieg soll an diesem Abend nicht im Vordergrund stehen. Nach acht Jahren in Deutschland hat Esmail seinen deutschen Gästen auch viel über sie selbst zu erzählen. Denn nachdem so viele Menschen aus seinem Kulturraum nach Deutschland kamen, sieht er, wie Deutsche und Syrer in vielen Alltagsituationen auf Missverständnisse stoßen, ohne es selbst zu merken. Wer seine eigene Kultur verlässt und in einer neuen ankommen möchte, muss mehr verstehen als nur die neue Sprache. Gestik, Mimik, alles, was zwischen den Zeilen gesagt wird – für ihn als Syrer waren diese Details noch viel schwieriger zu erlernen als die deutsche Sprache an sich. Anhand vieler Beispiele entführt Esmail seine Gäste deshalb in eine Welt voller kommunikativer Herausforderungen. So waren seine Gesprächspartner anfangs ihm gegenüber äußerst skeptisch, da er ihnen beim Reden nicht in die Augen schaute (was in Syrien aber ein Zeichen des Respekts ist). In Syrien ist es auch normal, jemanden mit großem Hallo und viel Zuneigung zu begrüßen, obwohl man sich gerade erst tags zuvor kennen gelernt hat. Wenn jemand etwas erzählt, unterbrechen die Zuhörer mit vielen Zwischenrufen und eigenen Erzählungen, weil sie so zeigen, dass sie dem Erzählten gespannt folgen. Und anstatt eine Einladung einfach direkt auszuschlagen, wird mit vielen Worten ausgeführt, dass man versuchen wird, die Einladung anzunehmen. Für einen Deutschen bedeutet das „ja“, ein Syrer versteht darin die beabsichtigte Absage. In Syrien steht in der Kommunikation immer das Gefühl im Vordergrund, mit Worten, Berührungen, Lautstärke und Überschwang versichert man sich seiner gegenseitigen Zuneigung. Die knappe, direkte Kommunikation in Deutschland steht dazu in einem starken Gegensatz, merken die Wohnzimmerreisenden.
Nach so vielen spannenden Einblicken in die syrische Kultur haben sich alle eine Stärkung verdient. Auf dem Boden breitet Esmail deshalb allerhand arabische Leckereien aus. Syrisches Fladenbrot, das die Gäste in Olivenöl und Zatar (eine Gewürzmischung aus wildem Thymian und Kumin) tunken, sauer eingelegte Aubergine, gefüllte Weinblätter, Humus, Kichererbsen und Saubohnen, Labaneh (ein eingedickter Joghurt), Halawa (eine süße Paste aus Pistazien und Zucker) und natürlich Datteln, Oliven und Sonnenblumenkerne. Gegessen wird mit den Händen. Eine der Reisenden zückt eine Packung Papiertaschentücher für alle, falls beim ungewohnten Essen doch mal etwas Öl danebengeht.
Nach einem Abend in Esmails Wohnzimmer nehmen die Reisenden viele neue Erkenntnisse mit. Einige selbsterlebte Missverständnisse werden ihnen jetzt erst deutlich, viel Neugier auf die arabische Kultur wurde geweckt. Aber auch etwas Wehmut nehmen die Gäste mit, denn das Syrien, das Esmail beschreibt, wird niemand so schnell selbst kennen lernen können. Esmail sagt, dass er viel gewonnen, aber auch viel verloren hat. Ein syrisches Zuhause lässt sich nicht so einfach in Deutschland wieder aufbauen. In Syrien würde man kaum auf die Idee kommen, überhaupt einmal umzuziehen. Man bleibt in der Nähe seiner Familie, kennt jeden Stein und jedes Haus in der Nachbarschaft. In der Freizeit rollt man einfach einen Teppich vor dem Haus aus, nimmt eine Kanne Tee mit und bleibt dort kaum eine Minute allein, weil sich sofort Nachbarn und Freunde hinzugesellen. Doch in Deutschland hat Esmail auch viel gewonnen. Er genießt mehr Freiheit. Außerdem hat ihn die Erfahrung, sich auf eine neue Kultur einzulassen, prinzipiell offener werden lassen. Er sagt, er begegnet Menschen jetzt nur noch als Menschen. Herkunft, Hautfarbe, Religion, Sexualität – nichts davon spielt mehr eine Rolle. Auch diese herzliche Offenheit ist bei unserem letzten Wohnzimmerabend für alle deutlich zu spüren gewesen.
شكرا (Shukraan) Esmail!

(Bericht von Lisa Osterburg, Franckesche Stiftungen, Halle an der Saale und Foto von Anna Kolata)

7/2019 Betritt man das Haus unserer französischen Gastgeberin Florence, fühlt man sich sofort wie in Frankreich. Jeder Raum ist geschmackvoll …

Zwei Stunden bei Patricia vergehen wie im Flug, denn Patricia erzählt sehr lebhaft von ihrem Geburtsland und ihrem Leben. Familie, Schule, Essen, Landschaft und Kleidung waren die Hauptthemen, die Patricia uns von ihrem Herkunftsland näherbrachte.

Patricias Großeltern sind vor vielen Jahren von Spanien nach Ecuador ausgewandert. Ihre Geschwister, Cousins und Cousinen sind über die ganze Welt verteilt. Die Familie ist groß. Papa hat 10 Geschwister und Mama 15. An Cousins und Cousinen mangelt es auf keinen Fall.

In Ecuador ist es üblich, dass jeder Gast bei einer Taufe, Kommunion, dem 15. Geburtstag oder einer Hochzeit eine kleine Porzellanfigur mit einer Schleife bekommt, auf der steht, welches Ereignis gefeiert wird. Patricia hat uns ihre Vitrine mit den unterschiedlichsten Porzellanfigürchen gezeigt.

Der 15. Geburtstag der Mädchen in Ecuador wird ganz groß gefeiert – wie eine Hochzeit, nur in rosa.

Das Land teilt sich in 4 Landschaftsregionen: Berge, Amazonasgebiet, Küste und die 1000 km entfernten Galápagosinseln. Die Hauptstadt Quito ist 2850 m hoch gelegen und somit die höchste Hauptstadt der Welt. Dem Äquator hat Ecuador seinen Namen zu verdanken und den nullte Breitengrad mit dazugehörigem Äquatordenkmal gibt es 23 km von Quito entfernt. (Mitad Del Mundo)

Besonders stolz ist Patricia auf den ecuadorianischen Exportschlager, den Panamahut. Der handgeflochtene Strohhut wurde von US-Präsident Roosevelt bei der Besichtigung des Panamakanals getragen und hat seitdem den Namen Panamahut. Der Original Panamahut ist wird aus sehr feinem Toquilla Stroh geflochten und kann mehrere 1000 Euro kosten. Der Strohhut ist bieg- und faltbar, quasi unkaputtbar – also ist der Hut eine Anschaffung fürs ganze Leben.

Ecuador probieren durften wir mit einer leckeren Kartoffelsuppe und zwei Sorten Empanadas. Eine Sorte war mit Hackfleisch gefüllt und die andere mit Käse. Alles sehr lecker. Wenn Patricia Empanadas herstellt, nicht unter 150 Stück. Alle, die nicht sofort gegessen werden, friert sie ein, um immer welche parat zu haben, wenn ihr oder ihrer Familie danach ist.

Im Kindergarten, in der Schule, an der Uni… ständig gibt es in Ecuador Misswahlen, bei denen es immer für die Siegerin eine Schärpe gibt. Patricia hat in ihren 25 Jahren, die sie in Ecuador gelebt hat, die eine oder andere Schärpe gesammelt. Mit der Schärpe auf dem Foto ist sie Repräsentantin von Ecuador in Deutschland und hat extra eine schriftliche Genehmigung dafür vom ecuadorianischen Konsulat in Deutschland bekommen.

Andere Länder, andere Sitten. Vielen Dank Patricia, dass du uns in dein Land der vier Welten mit so viel Charme und Lebensfreude entführt hast.

 

 

 

 

 

Wenn Elena an russische Gastfreundschaft denkt, dann immer an kleine Küchen, in denen sich viele Menschen um eine reichgedeckte Tafel setzen, sich austauschen und Geschichten erzählen. Gastfreundschaft in Russland – besonders in den entlegenen Gebieten Sibiriens, wo man tagelang keiner Menschenseele begegnet und Dörfer wochenlang von der Außenwelt isoliert sind, bis endlich mal wieder ein Fremder vorbei kommt, wo es im Winter extreme Minustemperaturen gibt, nur wenig Licht und wo man sich umso lieber in warmen Küchen versammelt – Gastfreundschaft in Russland muss etwas Besonderes sein. Auf der vierten Reisestation unserer „Weltreise durch Wohnzimmer“ in Halle an der Saale konnten wir diese besondere Gastfreundschaft kennenlernen. Elena und Oliver luden neun Reisende in ihre Küche ein, versammelten sie um eine reichgedeckte Tafel und berichteten von einem extremen Land, das so kalt und unwirtlich scheint und – vielleicht gerade deshalb – so viele warmherziger Begegnungen ermöglicht. Unsere Reise ging bis an den östlichsten Zipfel des eurasischen Kontinents: nach Kamtschatka. Hier ist Elena geboren und aufgewachsen, hier lernte sie den Hallenser Oliver kennen und hier sind beide immer noch zeitweise mit ihren beiden Kindern zu Hause.
Gleich zu Beginn erfuhren die Reisenden eine der wichtigsten Grundlagen der russischen Willkommenskultur: Der Wodka wurde hervorgeholt und jedem ein Gläschen eingeschenkt, kredenzt auf Preiselbeeren aus Kamtschatka. „За знакомство!“ [sa znakómstwa], ruft Oliver und prostet damit allen auf das Kennenlernen zu. Im Laufe des Abends werden wir noch viele solche Trinksprüche lernen. Der berühmteste ist jedoch nicht darunter. „Na sdorowje sagen nur die Deutschen“, erklärt Elena, „und sie behaupten so hartnäckig, dass Na sdorowje ein russischer Trinkspruch ist, dass man ihn in Russland inzwischen verwendet, wenn man mit Deutschen anstößt, da jeder weiß, dass die Deutschen es gerne sagen.“ Statt des deutschen Na sdorowje sollte man es lieber mit Juri Gagarin halten, der einen beliebten Trinkspruch in Russland prägte. Seine letzten Worte, bevor er ins All flog, eignen sich hervorragend, um einander mit Wodka zuzuprosten: „поехали“ [Pojechali] – Los geht’s! Und noch etwas lernen wir zum Wodka: Er wird immer mit sauren oder scharfen Häppchen gereicht, den заку́ска [sakusska]. Auf dem Tisch stapelt sich deshalb Brot, saure Gurken, eingelegter Speck, Hering, Knoblauch, Krautsalat und eine würzige Tunke aus Paprika, Tomaten und Auberginen. Bevor man den Wodka trinkt, riecht man am besten an dem Brot, hält die Luft an, trinkt, atmet dann erst wieder aus und beißt vom Brot ab. Bei den Sakusska sollte es an diesem Abend aber nicht bleiben. So eine russische Tafel muss sich unter dem Essen biegen. Unsere Gastgeber tischen deshalb auch noch Pelmeni und Salate aus Roter Bete, Walnüssen und Knoblauch oder aus Möhren und Frischkäse auf.
Natürlich dreht sich bei diesem Wohnzimmerabend nicht alles ums Kulinarische. Elena und Oliver haben zusammen viele Reisen unternommen, immer mit dem Fahrrad, quer durch Russland, im Winter über den Baikalsee oder auf den Spuren von Georg Wilhelm Steller einmal um den Polarkreis herum. Die Bilder, die sie zeigen, sind atemberaubend, die Geschichten anrührend. Wie sie mit dem Fahrrad über das Eis des Baikalsees fahren, wie sie sich im Sommer durch den aufgeweichten Permafrostboden kämpfen, wie sie überall, wirklich überall, sobald sie auf Menschen treffen, eingeladen, bekocht und zum Wodkatrinken verpflichtet werden, wie ihnen das Gerücht, dass da zwei Verrückte auf dem Fahrrad unterwegs sind, vorauseilt und sie in den kleinen Dörfern schon sehnsüchtig erwartet werden. Denn endlich kommt mal jemand vorbei, der neue Geschichten mitbringt. Und wie sie schließlich ihre Reiseleidenschaft zum Beruf machen und selbst den Touristen ihre schöne Heimat Kamtschatka zeigen, die vulkan- und braunbärenreichste Gegend der Welt. Die neun Reisenden verlassen schließlich das gemütliche „russische Wohnzimmer“ angefüllt mit wunderbaren Geschichten über das Reisen und das Leben in einem unvorstellbar weiten Land, angefüllt mit dem Wunsch selbst einmal die Berge und Vulkane Kamtschatkas zu besteigen, angefüllt mit dem leckeren Essen und, nun ja, auch der ein oder andere Wodka ist geflossen.
Спасибо [spasiba] Elena und Oliver!

Nota bene:
Der Name Georg Wilhelm Steller (1709–1746) fiel immer wieder an diesem Abend. Steller war Francke-Schüler und begleitete als Naturforscher Vitus Bering bei der Zweiten Kamtschatkaexpedition. Er bereiste unter anderem Alaska und Sibirien und beschrieb erstmals die nach ihm benannte Stellersche Seekuh. Elena und Oliver lernten die humorvollen Tagebücher Stellers kennen und ließen sich davon zu einer ihrer abenteuerlichen Reisen inspirieren: einmal mit dem Fahrrad rund um den Polarkreis auf den Spuren des berühmten Naturforschers. „Auf der Strecke hat sich seit Steller nicht wirklich viel verändert“, bemerkt Oliver dazu augenzwinkernd.

(Bericht von Lisa Osterburg, Franckesche Stiftungen, Halle an der Saale)

 

„Yksi, kaksi, kolme“ – das dritte Reiseziel in Halle an der Saale entführt nach Finnland.
„Ich bin aus Finnland rausgeflogen, weil ich so viel rede“, erzählt Alina und lacht. Als besonders offenherzig gelten die Finnen tatsächlich nicht. Ein alter Witz besagt, man erkennt einen aufgeschlossenen Finnen daran, dass er beim Gespräch immerhin die Füße seines Gegenübers anschaut und nicht nur die eigenen. Alina, die Gastgeberin unseres dritten „Weltreise durch Wohnzimmer“-Abends bestätigt dieses Klischee nicht.

Acht Reisende konnten sich für die Wohnzimmerreise nach Finnland anmelden. Am schnellsten sicherten sich acht Frauen ihr Reiseticket. Es hätte somit eine reine Mädelsrunde werden können, hätte sich nicht spontan Besuch bei unserer finnischen Gastgeberin angekündigt. Tapio, ein Freund aus Oulu, war zufällig genau zum Weltreisetermin in Halle zu Gast. Im Gemischten Doppel stellten die beiden somit ihr Heimatland vor. Alina, die weltgereiste, perfekt Deutsch sprechende Studentin aus Eura, einer kleinen Gemeinde im südwestlichen Finnland, und Tapio, der kaum Deutsch sprach, dafür aber aus Halles Partnerstadt Oulu in Lappland kommt und somit den Norden Finnlands vorstellen konnte.

Die finnische Sprache eröffnete auch den Wohnzimmerabend. Alina stellte sich auf Finnisch vor („Minun nimeni on Alina“) und ermunterte alle Gäste, sich ebenfalls auf Finnisch vorzustellen, was erste verknotete Zungen zur Folge hatte. „Kippis“ (Prost!) konnten sich die Gäste schon besser merken, obwohl Tapio auch mit seiner nordfinnischen Variante „Hölökyn kölökyn!“ Begeisterung auslöste. Angestoßen wurde – natürlich – mit süßlich-würzigem Salmiakki, dem berühmten finnischen Lakritzlikör. Dass Finnisch eine ganz einfache Sprache ist, zeigte Alina mit einem Arbeitsblatt, auf dem Bilder finnischen Vokabeln zugeordnet werden sollten. „sitruuna“ – Zitrone, „sukka“ – Socke, „kruunu“ – Krone. Finnisch ist doch ganz leicht! Nur dass „Saksa“ nicht für Sachsen sondern ganz Deutschland steht, erforderte etwas Grübelei.

Bei finnischen Schnittchen, Roggenbrot mit Munavoi (einem Butter-Ei-Aufstrich), Rieska (Alina übersetzt sie ins Deutsche mit „Kartoffelpfannkuchenbrot“) und natürlich Lakritz und Schokolade kamen Gäste und Gastgeber ins Gespräch. Alina räumte mit einigen Missverständnissen auf. „Das mit der Sauna haben die Deutschen irgendwie falsch verstanden!“, seufzt sie und berichtet von verwirrten Finnen, die von deutschen Saunameistern in die Schranken gewiesen werden, als sie selbst einen Aufguss machen wollten („Einen Aufgussmeister? So etwas gibt es in Finnland gar nicht!“) oder fassungslos das fast schon rituelle Luftdurchwedeln mit dem Handtuch beobachteten.

Alina wollte als Reiseleiterin aber vor allem wissen, welche Vorstellungen ihre Gäste von Finnland haben, und auf Themen eingehen, die alle interessieren. So kam das Gespräch von klischeebesetzten Themen schnell auch zu verblüffenden Eigenheiten des Landes wie kuriosen Sportarten („Gummistiefelweitwurf“, „Fußball auf Sumpf“ oder „Frauentragen“) oder die finnische Variante der „Butterfahrten“, bei denen auf Fährüberfahrten nach Schweden oder Estland literweise Alkohol gekauft wird. Viele nehmen sich dafür extra einen Handwagen mit. Als Alina so einen Butterfahrtenhandwagen hervorzauberte, den ihr ihre Großmutter nach Halle mitgegeben hatte, ist das Gelächter groß.

Tapio hatte Fotos aus Lappland mitgebracht, mit denen die Gäste einmal durch alle vier Jahreszeiten reisen konnten, Eindrücke von winterlichen Nordlichtern und sommerlichen Moltebeeren inklusive. Und oft wurden politische und gesellschaftliche Themen angesprochen, wie die gerade erst durchgeführten Parlamentswahlen, die strenge Wehrpflicht im Land oder das hochgelobte finnische Bildungssystem, das Alina in vielen Punkten zwar genossen hatte, das sie jedoch auch fürs Studium nach Deutschland brachte, da Studienplätze in Finnland sehr viel schwieriger zu ergattern sind.

„Merkt ihr den Klimawandel?“, wollte noch ein Gast wissen. Tatsächlich hätte es in Oulu diesen Winter gerade einmal anderthalb Monate Schnee gegeben, antwortete Tapio, was für Nordfinnland unfassbar wenig ist.

Was bleibt von so einem finnischen Wohnzimmerabend? Die Gäste nehmen ganz vielschichtige Erkenntnisse mit. Und oben drauf noch kulinarische Empfehlungen (alle sollen unbedingt „Karjalanpiirakka“ (karelische Piroggen) in Finnland probieren, Alinas liebstes finnisches Essen) und Tipps für Mittsommer, da ein Gast tatsächlich zu dieser Zeit in Helsinki sein wird.

Ein Gast verlässt das Wohnzimmer sogar mit dem Wunsch, selbst bald finnisch zu lernen. Das ist ja bestimmt auch ganz leicht.

Kiitos Alina und Tapio!

 

(Bericht von Lisa Osterburg, Franckesche Stiftungen, Halle an der Saale)

Reisen bildet bekanntlich. Bei jeder Reise lernt man etwas Neues und gleichzeitig schärft sich der Blick auf das eigene Herkunftsland. Selbst bei Wohnzimmerreisen tritt dieser Effekt auf. So auch bei dieser Reise nach Pakistan. Binat und Rafiq erzählen nämlich von dem besonderen Gut der Religionsfreiheit, die in dem deutschen Grundgesetz verankert ist. Das ist mit der Religionsfreiheit so ähnlich wie mit der Demokratie – wenn man sie hat, nimmt man sie als gegeben hin und macht sich nicht ständig darüber Gedanken, wie das Leben wäre, wenn sie fehlen würde. In Deutschland gibt es die Religionsfreiheit und in Pakistan nicht. Ein Leben mit Religionsfreiheit ist wesentlich ungefährlicher und entspannter als ein Leben, in dem ich permanent Angst haben muss, inhaftiert zu werden, nur weil ich eine Religion habe, die von der Regierung nicht gewünscht ist. Wir haben von unseren Reiseleitern gelernt, dass es 73 verschiedene Richtungen des Islam gibt.

Binat und Rafiq gaben den vier Männern und acht Frauen, die es sich am Samstagnachmittag von 16 bis 18 Uhr in ihrem Wohnzimmer bequem gemacht haben, aber nicht nur Einblicke in das religiöse Leben in Pakistan. Obwohl Binat und Rafiq schon 20 Jahre glücklich in Deutschland leben, bringen die beiden ihr Herkunftsland mit viel Gefühl den Reisenden nah.

Viele Ahs und Ohs gab es von den Reisenden, als Binat Kleidungsstücke aus ihrem Kleiderschrank holte. Wir haben gelernt, dass Binat sich am wohlsten in einem Salwar Kamiz fühlt. Ein Kamiz ist ein über die Knie reichendes langärmliches Oberteil.  Die Salwar ist die dazu farblich abgestimmte, schmal geschnittene oder weit geschnittene Hose. Dazu gehört die Dupatta. Ein langer, breiter Schal, der über eine Schulter, um den Hals oder über den Kopf gelegt wird. Saris zählen aber auch zu Binats Garderobe. Binat hat uns gezeigt, wie man den Sari anlegt und trägt. Für alle, die nur mit westlicher Garderobe vertraut sind, echtes Neuland.

Mit leckerem traditionellem pakistanischem Essen –  Samosay (gefüllte Teigtaschen), Dahi Barey (würziges Linsen-Joghurtgericht) und Gulab Jamun (frittierte Teigbällchen in aromatisiertem Zuckersirup),  Kaffee und Tee und Familienfotos wurde unsere Reise abgerundet.

Liebe Binat, lieber Rafiq, herzlichen Dank für Ihre Gastfreundschaft und Ihre Offenheit, uns so viel von Ihrem Heimatland und Ihrer Kultur zu erzählen.

 

 

 

 

 

 

 

Wie bereist man ein Land, das zu den längsten der Erde zählt, das sich von Nord nach Süd über 4000 Kilometer zwischen Anden und Pazifik erstreckt und dabei mehrere Klimazonen durchläuft? Zehn Hallenserinnen und Hallenser wollen dies am zweiten Abend unserer „Weltreise durch Wohnzimmer“ herausfinden. Ein paar bekannte Gesichter vom ersten Weltreiseabend sind unter den Gästen, die meisten nehmen aber zum ersten Mal an einer Wohnzimmerreise teil. Ein Gast kam sogar ganz spontan hinzu, nachdem ein Reisender kurzfristig verhindert war. Sie alle sind neugierig auf Chile.

Karl, der Gastgeber unserer Chile-Wohnzimmerreise, und seine Freundin Bonny heißen die Reisenden in ihrer Wohnküche mit Pisco Sour willkommen, ein Cocktail aus Limettensaft, Zucker, Ei und Pisco (einem chilenischen oder peruanischen Branntwein – die Herkunft bleibt ein Politikum in beiden Ländern). Platz ist in der kleinsten Hütte: Im chilenischen Wohnzimmer wird es kuschlig, doch es passt sogar ein weiterer Gast hinein, denn Karl hat sich musikalische Verstärkung geholt, um seinen Gästen einen ganz besonderen Eindruck seines Heimatlandes zu vermitteln: Tomy, ebenfalls Chilene und seit zwei Jahren in Deutschland, kam mit Gitarre, Charango und vielen Liedern im Gepäck, um von den schönen und auch zwiespältigen Themen des Landes zu singen.

Das Charango ist ein kleines Saiteninstrument aus dem Altiplano ganz im Norden von Chile. Hier beginnt die musikalische Reise. Ursprünglich wurde der Körper des Andeninstruments aus einem Gürteltierpanzer gefertigt. Tomys Instrument ist aber schon tierfreundlich aus Holz gebaut. Sein Charango bringt uns ins Gebirge und in die trockenste Wüste der Welt. Von Nordchile aus geht es musikalisch weiter ins Zentrum des Landes nach Valparaíso, die größte Hafenstadt Chiles und eins der wichtigsten kulturellen Zentren. Der Dichter Pablo Neruda hat hier gelebt und geschrieben, die Einflüsse aus aller Welt kamen über den Hafen ins Land, doch auch die Kontraste zwischen Arm und Reich werden in dieser Stadt sichtbar, betont Karl. Mit einem Liebeslied an Valparaíso als „Joya del Pacífico“ (Juwel des Pazifiks) ziehen wir weiter gen Süden und zum Archipel Chiloé. Die Inselgruppe gehört wohl zu den schönsten Flecken unseres Planeten, voller Mythen und, so Karl, mit wunderbar gastfreundlichen Menschen. Auf Chiloé gibt es jedoch auch schwere Konflikte zwischen den lokalen Fischern und den großen Fischfangunternehmen, die den Menschen vor Ort die Lebensgrundlage nehmen.

Tomy greift zur Gitarre und beginnt mit Liedern von Violeta Parra, die wohl bekannteste Folkmusikerin des Landes. Sie verarbeitete die Konflikte des Landes in ihrer Poesie. Mit ihrer Musik geht es weiter in das Land der Mapuche, der größten indigene Gruppe Chiles. Karl berichtet von den Konflikten der indigenen Bevölkerung mit dem Staat, vom Selbstverständnis der Mapuche als „Volk der Erde“ und ihrer Sprache Mapudungun, der „Sprache der Erde“. Sie sind das einzige indigene Volk Lateinamerikas, das seit 500 Jahren Widerstand leistet, erst gegen die Spanier, dann gegen den chilenischen Staat, inzwischen vermehrt gegen große Industrien.

Die Region Araucanía ist das angestammte Gebiet der Mapuche. Hier wachsen die Araukarien, nach denen die Region benannt ist und die die wichtigste Lebensgrundlage für die Mapuche sind. Mit „Arauco tiene una pena“ von Violeta Para beenden Tomy und Karl die musikalische Reise von Norden nach Süden.

Nach so vielen zurückgelegten Kilometern und spannenden Geschichten brauchen alle eine Stärkung. Bevor das Essen aufgetragen wird, stimmt Tomy noch eine Cumbia an. Zu dem eigentlich aus Kolumbien stammenden Rhythmus wird auch in Chile gern getanzt. Auf dem Wohnzimmertisch türmen sich nun duftende Sopaipillas. Die frittierten Hefeteigstücke konnten die Gäste herzhaft mit Pebre (einem Dip aus Zwiebeln, Koriander, Knoblauch und Paprika), Merkén (einer chilenischen Gewürzmischung aus Chili, Koriander und Salz) oder süß mit Marmelade oder Zucker probieren.
Nota bene!

Für die chilenischen Wohnzimmerreise gab es neben Musiker Tomy noch weitere helfende Hände. Carmen von nebenan (und ursprünglich aus El Salvador) half Karl und Bonny mit Gläsern und Tellern aus, damit die 10 Reisenden das leckere Essen genießen konnten. Noé, Freund aus Mexiko, kam auch vorbei und unterstützte als gelernter Koch beim Zubereiten der – natürlich trotzdem chilenischen – Speisen. Muchas gracias an das gesamte lateinamerikanische Team!

Nach dem Essen kommen Gäste und Gastgeber ins Gespräch: über Karls Familie, sein Leben in Deutschland, Politik, Literatur und deutsche Einflüsse in Chile. Denn im 19. Jahrhundert wanderten viele Deutsch nach Chile aus. Auch Karl (man sieht es am Namen) hat zum Teil deutsche Vorfahren. Ein eindrücklicher, vielstimmiger Abend geht zu Ende. Bereichert mit viel neuem Wissen über ein fremdes Land, Geschichten, Ohrwürmern und Literaturempfehlungen nehmen die Gäste Abschied. Karl freut sich, dass so viele unterschiedliche Themen zur Sprache kommen konnten, denn natürlich ist es einfach, über die schönen Dinge in Chile zu berichten, aber ihm war es wichtig, auch die Widersprüche und Konflikte zu zeigen.

(Bericht von Lisa Osterburg, Franckesche Stiftungen, Halle an der Saale)

Es ist ein Abend im Februar, das Thermometer zeigt Minusgrade an, zehn Menschen treffen sich vor dem Historischen Waisenhaus der Franckeschen Stiftungen, in dicke Mäntel und Schals gehüllt, bereit, den deutschen Winter für ein paar Stunden hinter sich zu lassen und in die tropische Welt Indiens einzutauchen. „Vanakkam“, ruft Jasmin, die Gastgeberin der ersten „Weltreise durch Wohnzimmer“ in Halle und legt die Handflächen aneinander. „So heißt man bei uns in Tamil Nadu Gäste willkommen.“ Die zehn Reisenden betreten den Tholuck-Saal des Evangelischen Konvikts, in dem Jasmin derzeit wohnt, und schon sind alle in einem anderen Land. Gleich zu Beginn zeigt Jasmin, was indische Gastfreundschaft bedeutet: Mit würzigem Chai und einer fröhlichen Tanzdarbietung werden die Gäste ins Land gelockt. Das Eis ist sofort gebrochen. Nach diesem schwungvollen ersten Eindruck beginnt Jasmin von sich zu erzählen und zeigt Fotos aus ihrer Heimatstadt Coimbatore, von ihrem Haus, ihrer Familie, ihrem Hund und ihrer Kirchgemeinde. Sie erzählt, wie sie mit ihrem Motorrad durch die Stadt düst… oder meist im Stau steht. Sie zeigt Bilder von Elefanten, die aus dem Wald in die Stadt kommen und erklärt, wie in ihrer Stadt drei Weltreligionen zusammenleben. Die Gäste staunen, fragen, lachen und ergänzen eigene Eindrücke von Indien. Doch beim Gespräch sollte es nicht bleiben. Indien lernt man am besten mit allen Sinnen kennen. Das heißt zuallererst durch Bewegung: Jasmin bittet zum Tanz und bringt allen ein paar Tanzschritte zu einem tamilischen Lied bei.

Nach so viel Verausgabung hat sich die Reisegruppe eine Stärkung verdient. An einer langen Tafel werden Bananenblätter ausgebreitet, die als Teller für das indische Biryani dienen sollen. Das würzige, leicht scharfe Essen aus Reis und Gemüse wird mit der Hand gegessen, gar nicht so leicht, doch schon bald sind alle Bananenblätter leergeputzt und der Nachtisch kann serviert werden: Payasam, ein süßer Pudding mit Nüssen. Beim Essen ist genug Zeit, Jasmin kennen zu lernen und alle Fragen zu stellen, die man immer schon mal über Indien stellen wollte. „Jetzt habe ich auch einmal eine Frage“, sagt Jasmin. „Wieso habt ihr diese Reise nach Indien gebucht?“ Die Antworten sind ganz unterschiedlich. Viele waren grundsätzlich neugierig auf das Projekt „Weltreise durch Wohnzimmer“. Eine Frau erzählt, dass sie nicht glaubt, jemals persönlich nach Indien zu kommen, warum dann also nicht mal ein fernes Land durch ein Wohnzimmer kennenlernen. Ein Gast kennt Tamil Nadu bereits von einer Reise und freut sich über die Auffrischung der Reiseerinnerungen. Für alle, die vielleicht doch einmal selbst nach Tamil Nadu reisen werden, hat Jasmin noch einen kleinen Sprachkurs in ihrer Muttersprache vorbereitet. „nanri“ (danke), „dhayavu seidhu“ (bitte), „suvai“ (lecker) – mit diesen Worten kommt man in Indien bestimmt schon weit.

Zum großen Abschluss bittet Jasmin alle Gäste noch einmal zur Türschwelle. Dort hat sie ein „Kolam“ vorbereitet, ein mit weißem Pulver auf den Boden gezeichnetes Blumenmuster, das in Tamil Nadu an Festtagen die Eingänge der Häuser schmückt. Viele bunte Farbpulver liegen bereit. Gemeinsam füllten die Gäste das Kolam mit dem bunten Pulver aus. Das farbenprächtige I-Tüpfelchen einer einzigartigen Indienreise in Halle. Und was denkt die Gastgeberin? „Für mich war es eine tolle Möglichkeit, mein Land mit seinen schwierigen Traditionen auf einfache Weise zu vermitteln. Ich denke, durch eine Wohnzimmerreise können Ängste und Skepsis gegenüber einer Kultur, die der eigenen sehr fremd ist, genommen werden.“
Nanri Jasmin!

(Bericht von Lisa Osterburg, Franckesche Stiftungen, Halle an der Saale)

Vor zwei Wochen ist Nasser erst von seinem letzten Besuch seiner alten Heimat zurückgekehrt. Seine Palästina-Erinnerungen konnten also nicht frischer sein.

Als erstes wurden die zehn Reisenden, wie in Palästina immer üblich, mit einem Glas Orangensaft begrüßt.
Bevor Nasser von sich und seiner Familie erzählt hat, hat er unser Geschichts- und Erdkundewissen aufgefrischt und erweitert.

In folgenden Ländern, neben Palästina, ist Arabisch Amtssprache:
Ägypten, Algerien, Bahrain, Dschibuti, Irak, Israel, Jemen, Jordanien, Katar, Komoren, Kuwait, Libanon, Libyen, Mali, Marokko, Mauretanien, Niger, Oman, Saudi-Arabien, Somalia, Sudan, Syrien, Tschad, Tunesien, Vereinigte Arabische Emirate und Westsahara.
Arabisch wird von ca. 370 Millionen Menschen gesprochen und wird damit weltweit am sechsthäufigsten verwendet.

Vor 1918 gab es das sogenannte Großsyrien, das aus den Gebieten Syrien, Jordanien, Palästina, Ägypten, Libanon und Teilen des Iraks bestand.

Schon 1894 wurde überlegt, wo man einen jüdischen Staat errichten könnte. Madagaskar, Uganda und Palästina waren in der engeren Wahl.

Letztendlich fiel die Wahl für einen jüdischen Staat auf Palästina, weil dort 2000 Jahre zuvor schon jüdisches Leben gewesen ist.

Nasser hat uns anhand eines Bildes gezeigt, in welchem Maße über die Jahre seit 1948 die palästinensischen Siedlungen immer weiter den israelischen Siedlungen gewichen sind.

Seit 1946 sind immer Palästinenser aus ihrem Land geflohen und zum Teil leben sie seit 1946 in Flüchtlingslagern. 4.000.000 Palästinenser leben in Flüchtlingslagern, davon ca. 1.500.000 im Libanon.
Dort können die Flüchtlinge nur im Flüchtlingslager arbeiten, bekommen vom UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten) medizinische Grundversorgung, ein Mindestmaß an Bildung und Grundversorgung mit Lebensmitteln.

Der israelische Staat hat die Zusage gegeben, jede Person jüdischen Glaubens aufzunehmen.
Im Augenblick leben ca. 7.000.000 Juden in Israel (22.000 qkm) und ca. 5.000.000 Palästinenser in Palästina (6.000 qkm).
Im Vergleich dazu leben in Deutschland 82.000.000 Einwohner auf 357.000 qkm.

Bei den geschichtlichen und erdkundlichen Details haben wir Reisende Nüsse geknabbert und danach köstliches Baklava (in Zuckersirup eingelegtes Gebäck aus Blätterteig, gefüllt mit gehackten Walnüssen, Mandeln und Pistazien) genossen.

Dann hat Nasser uns seine ganz persönliche Geschichte erzählt.
Von seinen Eltern, seinen fünf Geschwistern (vier Schwestern und ein Bruder) seiner Schulzeit bis zum Abitur 1981 in Djenin, von dem Leben unter der Besatzung, von vielen Nächten, die er nicht schlafen konnte, von verhafteten Nachbarn und deren Söhnen, seiner Teilnahme an Demonstrationen und dem Familienentschluss, dass es in Deutschland, dem Land wo schon ein Onkel lebte, wohl mehr Möglichkeiten gibt, zu überleben und seine Talente auszuleben.

Somit hat Nasser in Deutschland Elektrotechnik und Informatik studiert und ist nun Doktor der Informatik.

Nasser hat uns von seiner Hochzeit 1995 erzählt, seinen drei Kindern, von seinem Leben in Wolfenbüttel, seiner Arbeit in Magdeburg, Gütersloh und Stuttgart und von den frischen Eindrücken in seinem Herkunftsland und den Schwierigkeiten sich dort als deutscher Staatsbürger mit palästinensischen Wurzeln von A nach B zu bewegen – z.T. getrennt von seiner Frau und seinen Kindern, denn für Palästinenser gelten dort andere Regeln als für Touristen.

Nassers detaillierte Beschreibung des Tagesausflugs an den See Genezareth im israelischen Gebiet hat uns Reisende an Grenzkontrollen zwischen der DDR und der BRD erinnert. Vermittlung eines Gefühls von Ausgeliefertsein und Macht bzw. Machtlosigkeit und Angst.

Schnell wurden aus zwei Stunden Reisezeit in Nassers Wohnzimmers 2 ½ Stunden, denn der übliche palästinensische Mokka und die mit Zuckerguss überzogene Mandeln wurden uns abschließend gereicht, nachdem Nasser in alle unsere Reisepässe Palästina gestempelt hat.

Lieber Nasser, 1.000 Dank für deine Offenheit, Gastfreundschaft und deine gut verständlichen Erklärungen zu den Entwicklungen deines Geburtslandes.

10/2018 Wenn man Elvina aus Mosambik trifft, wird man von Liebe pur empfangen. In den Genuss, Elvinas Bekanntschaft

9/2018 10 Reisende haben sich am Samstag um 15 Uhr bei Mikaele aus Äthiopien im Wohnzimmer eingefunden.
Mit der Unterstützung von drei Landsfrauen